GATEWAY49 – StartUp-Talk mit Wirtschaftsminister Bernd Buchholz

„Wir sind nicht am Ziel, sondern auf einem Weg“

Wie steht es um die StartUp-Szene in Schleswig-Holstein? Darüber sprach Wirtschaftsminister Dr. Bernd Buchholz mit Frank Schröder-Oeynhausen, Geschäftsführer des Technikzentrum Lübeck und von GATEWAY49, und Programm-Manager Stefan Stengel. Anlass war die Auszeichnung von Batch II des Accelerators am 30.4.2021. Dabei ging es um Innovation, die Verzahnung mit der Realwirtschaft und GATEWAY49 als Blueprint für weitere StartUp-Aktivitäten.

Stefan Stengel: Dr. Buchholz, als Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus haben Sie GATEWAY49 von Anfang an nicht nur miterlebt, sondern mit initiiert. Ohne Ihr Ministerium und auch Ihr persönliches Engagement gäbe es GATEWAY49 noch gar nicht. Sie waren mehrfach zu Besuch bei uns und haben auch unsere Teams aus dem ersten Batch getroffen. Wie stellt sich die Entwicklung aus Sicht der Landesregierung und speziell Ihres Ministeriums dar?

Bernd Buchholz: Dazu sage ich gerne ein paar Worte, Herr Stengel und Herr Schröder-Oeynhausen. Erst einmal muss man Ihnen Dankeschön sagen für Ihr Engagement, das dazu geführt hat, dass wir GATEWAY49 tatsächlich haben. Denn mein Zutun beschränkt sich darauf, zu sagen „Okay, finde ich gut, Ihr müsst das machen.“ Ich kann das dann auch finanziell unterstützen. Aber in Wahrheit mache ich das nicht aus altruistischen Gründen, sondern um im Lande Schleswig-Holstein die StartUp-Szene zu beleben und sie mit einer Sichtbarkeit auszustatten, die sie früher in dieser Form nicht hatte.

„GATEWAY49 hat inzwischen eine Sichtbarkeit erreicht, die extrem positiv ist“

Da ist GATEWAY49 ein wichtiger Aspekt, aber auch unser Northern Germany Innovation Office in San Francisco und die Zusammenarbeit mit Plug and Play im Silicon Valley, Waterkant Hub, StartUp SH. Wir haben viele Aktivitäten, aber GATEWAY49 hat inzwischen eine Sichtbarkeit erreicht, die extrem positiv ist. Wenn sich 15 Leute aus Baden-Württemberg bewerben und sogar einer aus Australien, dann hat das eine Wirkung, die Schleswig-Holstein in den Blick von StartUps, aber auch von Investoren und letztlich auch Unternehmen bringt, die sagen: „Hey, da tut sich was. Das ist ein interessantes Umfeld. Da bringen die Menschen zusammen, die innovativ sind.“ Genau das will ich bewirken: Dieses Land in den Innovationsgrad bringen, den es braucht, um in Zukunft wirtschaftlich noch ein bisschen besser dazustehen.

Bern Buchholz im Interview

Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Dr. Bernd Buchholz 

Es war ja auch für GATEWAY49 ein besonders schwieriges Jahr. Wir haben uns alles vorgestellt, nur keine Pandemie und eine rein digitale Batch-Session auf Distanz. Das war eine zusätzliche Herausforderung zu der, den Accelerator überhaupt zum Laufen zu bekommen. Ich muss ehrlich sagen: Nach dem ersten Batch hatte ich schon ein gutes Gefühl, weil ich viele Teams beim Existenzgründerpreis der Lübecker Wirtschaft wiedergesehen habe, aber auch bei GATEWAY49 vor Ort. Ihr hattet ein Frauenproblem. Das habt ihr inzwischen offensichtlich überwunden, das finde ich gut. 15 Prozent Frauenanteil war mir auch ein bisschen zu wenig. Es ist wichtig, dass auch der weibliche Anteil so stark gestiegen ist. Aber vor allem ist wichtig, dass daraus etwas wird.

Die Verzahnung mit den Unternehmen stellt sich positiv dar. Ich kann nur gratulieren zu dem, was Sie bisher geschaffen haben, und gratuliere insbesondere dazu, dass es jetzt in einen dritten Batch mit zwölf Teams geht. Mit immer weiter steigenden Bewerberzahlen für GATEWAY49 können wir die Sichtbarkeit der StartUp-Szene in Schleswig-Holstein noch weiter erhöhen.

Stefan Stengel: Frank, du bist hier in einer Doppelrolle als Geschäftsführer von GATEWAY49 und des Technikzentrum Lübeck, das Projektträger von GATEWAY49 ist. Zudem gehörst du auch dem Vorstand von StartUp SH an. Der Aspekt der Einbeziehung der Wirtschaft ist ja auch Dr. Buchholz sehr wichtig. Wie beurteilst du die enge Beziehung zu den Unternehmen aus unseren Fokus-Clustern bei GATEWAY49?

„Entscheidend in diesem Konstrukt ist der Zugang zu Innovation, Ideen, Talenten und Methoden“

Frank Schröder-Oeynhausen: Wir sitzen mit dem Technikzentrum Lübeck und dem GATEWAY49-Projekt zwischen den Hochschulen und den Unternehmen. Wir haben diese Mediator- bzw. Moderatorrolle und begleiten diesen Prozess auch schon seit 35 Jahren, dass aus kleinen Ideen in ersten Räumen größere Ideen und größere Firmen werden. Entscheidend für die Unterstützer in diesem Konstrukt ist der Zugang zu Innovation, Ideen, Talenten und Methoden. Vom Methodenaustausch profitieren nicht nur die StartUps. Wo Methodiken von Mentoren, Unterstützern oder auch uns sich komplementär ergänzen und daraus eigene Best-Practice-Beispiele entstehen, profitieren nicht nur die StartUps, sondern auch die Unternehmen. Hochschulen, StartUps und Unternehmen strukturiert und zielgerichtet zu verknüpfen, die Bedürfnisse der Unternehmen auch ernst zu nehmen und abzubilden − das ist ein großes Vergnügen.

Bernd Buchholz: Ihr habt da wirklich etwas Besonderes, das muss man einfach mal sagen. Wir haben an vielen Stellen StartUp-Aktivitäten. Aber dieser Link zwischen StartUps und Realwirtschaft gelingt nur begrenzt. Das Besondere an GATEWAY49 ist, dass die Anforderungen der großen Unternehmen im Lande die Cluster ausmachen und somit unmittelbar gespiegelt werden. Das heißt: Die Unternehmen haben einen Blick darauf und sind beteiligt an GATEWAY49. Mir ist wichtig, dass es dieses wirtschaftliche Commitment gibt.

Wir können als Landesregierung viel machen und auch Geld zur Verfügung stellen. Aber in Wahrheit wird nur dann ein Schuh draus, wenn die Wirtschaft es als ihr eigenes Thema annimmt und sich dafür engagiert. Das ist euch hervorragend gelungen. Darauf habe ich auch immer Wert gelegt. Sie wissen, Herr Schröder-Oeynhausen und Herr Stengel, ich habe immer gesagt: Wenn die Unternehmen nicht 50 Prozent mitinvestieren, dann mache ich auch nicht mit. Es muss etwas wert sein. Und das zeigt sich an konkreter Beteiligung. Diese sehr enge Verzahnung mit der Realwirtschaft zeichnet GATEWAY49 aus.

Live-Talk

Frank Schröder-Oeynhausen (links) und Stefan Stengel (rechts) mit dem live zugeschalteten Wirtschaftsminister

 Stefan Stengel: Wir sind ja nun im relativ kleinen Bundesland Schleswig-Holstein. Aber wo liegen unsere Chancen gegenüber anderen Regionen und den großen Playern wie Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen? Wo können wir herausstechen und Dinge besser machen?

Bernd Buchholz: Wir müssen zunächst einmal Schwerpunkte bilden. Das haben wir schon getan. In GATEWAY49 finden sich ja die Schwerpunkte wieder, die letztlich die wirtschaftspolitischen Schwerpunkte einer Ansiedlungsstrategie und gesamtwirtschafspolitischen Strategie des Landes sind. Die Themen Life Science, Gesundheitswirtschaft, Medizintechnik spielen in der Zukunft eine wahnsinnig wichtige Rolle. Da ist ein Rückenwind-Markt. Und wir haben einen Footprint in diesem Markt mit großen Firmen. Dräger gehört dazu. Aber auch viele andere im Lande zeigen bundes- und europaweit, dass sich auf der Achse Hamburg-Lübeck etwas abspielt, was für Life-Science-Aktivitäten bedeutend ist.

„Wir sind nicht am Ziel, sondern auf einem Weg“

Mit der Innovationskraft und der Sichtbarkeit, die wir mit GATEWAY49 schaffen, erzielen wir eine Aufmerksamkeit darauf, dass Innovation und Dynamik in diesem Land steckt. Die können und müssen wir natürlich noch weiter ausbauen. Wir sind nicht am Ziel, sondern auf einem Weg. Aber auf diesem Weg sind wir gut unterwegs. Die Universitäten und Forschungseinrichtungen spielen da gut mit, die Verzahnung, das habe ich gerade erwähnt, läuft in diesem Falle besonders gut und immer besser. Das ist insgesamt ein Blueprint für weitere Aktivitäten, die auch in anderen Bereichen des Landes noch eine Rolle spielen können.

Stefan Stengel: Danke für das Stichwort „Blueprint“. Wir sind hier lokal sehr stark verzahnt mit den Clustern, die in unserer Region sehr wichtig sind: Life Science, Logistik, Ernährungswirtschaft und Smart City. Könnte GATEWAY49 auch ein Blueprint sein für maritime Wirtschaft und regenerative Energien, die an unserem Standort in Lübeck nicht so stark vertreten sind wie in Nordfriesland oder Kiel.

Bernd Buchholz: Das ist eine Frage des Commitments der entsprechenden Wirtschaft vor Ort. Man kann das ansiedeln und sagen „Ja, das gehört dort hin.“ Aber man braucht ein Commitment derjenigen, die dabei sein wollen. Wenn die Unternehmen, die heute im Bereich Batteriezellenforschung, Wasserstoffproduktion und vielem anderen mehr sagen, dass sie die StartUp-Aktivitäten aus diesen Feldern in einem weiteren Accelerator an der Westküste versammeln wollen − von mir aus kann der dann GATEWAY51 heißen − dann machen wir das.

Aber das  Commitment muss erst einmal von den Unternehmen kommen. Sie müssen sagen: „Jawohl, wir wollen mit den StartUps zusammenarbeiten und ihnen hier auch eine Chance geben.“ Also euren weiteren Aktivitäten, notfalls auch an der Westküste, steht nichts im Wege. Herr Schröder-Oeynhausen muss dann nur ein Technologiezentrum an der Westküste aufbauen.

Frank Schröder-Oeynhausen: Wir sind ja über die Nordzentren mit allen 16 Technologiezentren in Schleswig-Holstein perfekt vernetzt.

Bernd Buchholz: Also, die Grundlagen dafür haben wir. Wie gesagt: Es bedarf eines gewissen Commitments. Wir haben im Falle von GATEWAY49 Life Science und Food als Cluster mit dabei und wir haben die großen Spieler aus diesen Clustern mit dabei. Das sieht man ja auch, wenn Frau Bockholdt zu den Mentoren gehört oder Herr Brüggen Teil der Jury ist. Wenn die Unternehmer selbst mit den StartUps arbeiten wollen – das ist der Schlüssel dazu, dass die Verzahnung gelingt.

„Wenn die Unternehmen selbst mit den StartUps arbeiten wollen – das ist der Schlüssel dazu, dass die Verzahnung gelingt“

Stefan Stengel: Vielen Dank. Sie haben den Ball wieder in unser Feld gespielt. Wir haben jetzt neue Aufgaben, die wir diskutieren können. Das Technikzentrum Lübeck hat ja auch eine lange Historie, Frank. In 35 Jahren hat es tolle Unternehmen hervorgebracht, darunter Basler, Gestigon, Plato. Wenn wir von einem Ökosystem der Technikzentren sprechen: Was kannst du dir vorstellen, um das Gründertum und die StartUps in Schleswig-Holstein weiter zu befördern?

Frank Schröder-Oeynhausen: Sich kümmern − und zwar nachhaltig − halte ich für einen der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Die meisten von den 35 Jahren hat Raimund Mildner das vorangetrieben. Das bedeutet, den StartUps zu helfen, wenn es um Fördergelder, Finanzierung oder Infrastruktur geht. So ist auch das TZL sukzessive gewachsen. Wir haben Unternehmen nicht „umgetopft“, wenn sie zu groß geworden sind, sondern sind mitgewachsen.

Zu der Frage, wie man sich das zukünftig vorstellen kann: Ich bin ein großer Fan von Kooperation und „Wir“. StartUp SH ist ein großer Wir-Verbund, der mit dem Blickwinkel auf Hochschulen funktioniert. Wenn man jetzt zum Beispiel die Nordzentren mit den anderen Profilen, Mietern und Unternehmen der Schwerpunktbranchen verknüpft, dann entsteht ein noch größeres Potential. Die Herausforderung bei dem, was wir hier tun, sind immer die Schnittstellen. Die Verknüpfung von guten Ideen, Hochschulen und Unternehmen ist am Ende der Bereich, in dem wir arbeiten. Da heißt es: Vertrauen aufbauen.

Das bedeutet, erst einmal zu geben, bevor man nimmt, und schließlich gemeinsam Reserven freizusetzen, damit noch mehr entsteht. Da sehe ich die Technologiezentren gar nicht so schlecht aufgestellt in Schleswig-Holstein.

Hier geht es zum kompletten Live-Event auf Youtube: GATEWAY49 Auszeichnung Batch II